Process Mining – auf dem Weg zum heiligen Gral?

Eigentlich ist Process Mining Schnee von gestern. So finden sich in der Literatur doch bereits erste Ansätze aus dem Jahre 1998 von Cook und Wolf [1]. Obwohl sie die Prozessvisualisierung außer Acht gelassen haben, legten sie den Grundstein für diese Technologie. Für alle diejenigen unter Ihnen, die vor der Entscheidung für oder gegen Process Mining stehen sind die folgenden zwei Blog Artikel gedacht. Zunächst stellen wir exemplarisch und vereinfacht den Ablauf eines Process Mining Projektes vor, bevor wir im nächsten Blog Artikel die Top 5 Herausforderungen darstellen.

Business Process Mining oder kurz Process Mining erlaubt Unternehmen die Identifikation, Analyse und Verbesserung der eigenen Geschäftsprozesse [2]. Die Grundlage stellen die Event Logs dar, welche, aufbauend auf den Daten aus den prozessunterstützenden Systemen, wie zum Beispiel dem ERP- oder CRM-System, generiert werden können. Durch Extraktion der Daten aus diesen Systemen und deren Aufbereitung zu Event Logs können diese Informationen ausgewertet werden [3]. Durch die Methoden und Techniken des Process Minings können aus den Event Logs Prozessinformationen über die entsprechenden Prozesse extrahiert werden. Auf Basis der Prozessinformationen kann nachfolgend automatisiert ein Prozessmodell abgeleitet werden, welches für die Analyse und Verbesserung der bestehenden Prozesse genutzt werden kann [4]. Beispielsweise könnte es durch einen Ressourcenengpass bei der Kontrolle der gelieferten Ware im Wareneingangsprozess zu langen Wartezeiten kommen, wodurch die Kosten für die Speditionsdienstleistung steigen. Dieser Engpass wird durch Process Mining ansprechend visualisiert, wodurch Prozessschwächen und -kosten effizient gesenkt werden können. Doch wie steinig ist der Weg eigentlich bis zu den fertigen Prozessmodellen? Werfen wir einen Blick drauf:

Process Mining Projekt

Der Ablauf eines Process Mining Projekts lässt sich grundsätzliche in sechs Phasen unterteilen, welche in der nachfolgenden Abbildung komprimiert dargestellt sind:

Process-Mining-project-steps

Abbildung 1 – Process Mining Projekt (komprimierte Darstellung)

Im ersten Schritt gilt es zunächst die Durchführung des Projekts zu planen. In dieser Phase wird grundsätzlich definiert, welcher Business Prozess in welchem Umfang analysiert werden soll. Neben einer Vielzahl von Stakeholdern, ergeben sich im Wesentlichen die folgenden drei Schritte in der Planungsphase:

Planungsphase im Process Mining Projekt

Abbildung 2 – Die Planungsphase im Process Mining Projekt


Weiterhin wird die Business-Fragestellung ausgearbeitet, welche durch die Nutzung des Process Minings beantwortet werden soll (bspw. “Welche Prozessschritte beeinflussen die Durchlaufzeit von Order-To-Cash Prozessen signifikant?”).

Datenbeschaffung im Process Mining Projekt

Abbildung 3 – Die Phase der Datenbeschaffung

In der zweiten Phase werden beim Process Mining zunächst die Rohdaten, welche für die Generierung der Event Logs benötigt werden, aus dem System extrahiert. Dieser Vorgang kann durchaus mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. So liegen die benötigten Informationen häufig nur in einer unstrukturierten Form vor und sind nicht selten über viele Datenbanken verteilt. Weiterhin werden beim Process Mining häufig sehr große Datenmengen aus den Systemen extrahiert, wodurch effiziente und auf die Datenmenge ausgelegte Extraktionsverfahren benötigt werden [5].

Anschließend müssen die extrahierten Informationen aufbereitet und in die Event-Log-Struktur transformiert werden. Dieser vermeintlich einfache Schritt stellt sich in der Realität jedoch immer wieder als großes Problem dar und Bedarf daher einer gesonderten Planung.

Datenverarbeitung im Process Mining Projekt

Abbildung 4 – Dritte Phase: Die Datenverarbeitung im Process Mining

Wurde die Planung erfolgreich abgeschlossen, kann mit der dritten Phase, dem Data Processing, begonnen werden. In dieser Phase werden die Daten bspw. gefiltert, um zu vermeiden, dass das Prozessmodell durch fehlerhafte Event Logs oder über den Extraktionszeitraum hinausreichende Prozessabläufe verfälscht wird [5]. Durch weitere Transformationen und Aufbereitungsschritte werden dann aus den extrahierten Rohdaten, die für das Process Mining spezifischen Event Logs erstellt, welche das Fundament für das eigentliche Process Mining darstellen. Dabei lässt sich jedes Event zu einer Aktivität oder einem genau bestimmten Schritt in einem Prozess zuordnen. Neben Informationen über den Ausführungszeitpunkt, sogenannte Timestamps, können in diesen Event Logs auch weitere Informationen, wie beispielsweise der ausführende User oder das Gerät bzw. System, welches das Event Log erzeugt hat, enthalten sein [3].

In der vierten Phase wird anschließend das eigentliche Mining auf Basis der Event Logs durchgeführt.

Die Mining Phase

Abbildung 5 – Vierte Phase: Das Mining

Das Herzstück beim Mining ist der Mining-Algorithmus, welcher die Zusammenhänge aus den Event Logs ermittelt. Dabei gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Algorithmen. Zu den wichtigsten Gruppen zählen deterministische, heuristische und genetische Mining Algorithmen. Während bei deterministischen Algorithmen nur definierte und reproduzierbare Prozessmodelle entstehen, werden bei heuristischen Algorithmen auch die Häufigkeit bzw. die Frequenz der einzelnen Prozessschritte berücksichtigt. Bei dem nicht deterministischen Ansatz des genetischen Mining Algorithmus wird hingegen eine Vielzahl von Prozessmodellen erstellt, welche dann, ähnlich wie bei der natürlichen Evolution, durch Mutation und Anpassungen zu einem finalen Prozessmodell zusammengefügt werden [5].

Das entstandene Prozessmodell kann dann für verschiedene Analysetätigkeiten genutzt werden. Dabei lassen sich die drei Anwendungsbereiche Discovery, Conformance und Enhancement identifizieren. Bei der Discovery wird automatisiert aus den Event Logs ein Prozessmodell erstellt, welches die Prozessabläufe visuell darstellt. Aufbauend auf diesen Prozessmodellen können dann im Rahmen der Conformance Prüfung die erstellten Modelle mit definierten Soll-Prozessen abgeglichen werden. Im dritten Anwendungsbereich, dem Enhancement, kann darauf aufbauend das Prozessmodell optimiert werden, um Business Prozesse effizienter zu gestalten.

Die im vorherigen Schritt gewonnen Erkenntnisse bedürfen in der Regel einer weiteren Evaluierung, welche in der anschließenden fünften Phase stattfindet.

Bewertung der Ergebnisse im Process Mining

Abbildung 6 – Die fünfte Phase: Auswertung der Mining Ergebnisse

Bis zu diesem Punkt wurden die Prozesse durch Prozessanalysten identifiziert und ohne spezifisches Wissen zum fachlichen Prozess auf Abweichungen und Optimierungspotenziale untersucht. In dieser Phase werden nun die resultierenden Ergebnisse durch die Business Experten mit dem fachlichen Kontext verknüpft.

Abschließend geht es in der letzten Phase dann darum, die gewonnen Erkenntnisse zu nutzen und konkrete Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln.

Prozessoptimierungen im Projekt

Abbildung 7 – Sechste Phase: Die Prozessoptimierung z.B. nach Six Sigma

Mit Hilfe verschiedener Methoden wie beispielsweise Six Sigma werden in diesem Schritt die realen Business Prozesse optimiert, indem Verbesserungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachbereichen, Business Experten und Key-Usern entwickelt werden.

Welche Herausforderungen in den einzelnen Phasen auf Sie warten zeigen wir im nächsten Blog Artikel. Wenn Sie bis dahin die Thematik vertiefen wollen, dann finden Sie hier weiteren Lesestoff:

Dieser Blog Beitrag basiert auf einem studentischen Projekt mit der Hochschule NORDAKADEMIE, bearbeitet von Marcus Müller, Hendrik Peters und Alexander Vogt.

In diesem Sinne nochmal vielen Dank für die gute Zusammenarbeit.

Quellen:

[1] Cook, Jonathan E.; Wolf, Alexander L.: Discovering models of software processes from event-based data, in: ACM Transactions on Software Engineering and Methodology, Vol. 7 (1998), S. 215–249.

[2] van der Aalst, Wil M.P.: Process Mining, in: CoMMuniCAtionS oF thE ACM, Vol. 55 (2012).

[3] van der Aalst, Wil M.P.; u. A.: Process Mining Manifesto.

[4] Kneuper, Ralf: Process Mining bei Softwareprozessen: Ein Überblick.

[5] Gehrke, Nick; Werner, Michael: Process Mining, in: WISU – die Zeitschrift für den Wirt-schaftsstudenten (2013).

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