KI oder keine KI – das ist hier die Frage

Vor einiger Zeit kam ein Kunde von zapliance auf Alex und mich mit der Idee zu, gemeinsam ein Künstliche-Intelligenz-Compliance-Projekt zu starten.

Das Ziel des Projekts:

Die Entwicklung eines Plans, wie man KI-Anwendungsfälle bewerten kann – quasi eine Art Best Practices, um einzuordnen, ob ein Anwendungsfall als KI gewertet werden kann oder nicht.

Dafür hatte unser Kunde drei KI-Anwendungsfälle aus seinem Unternehmen vorbereitet.

In unserem ersten gemeinsamen Workshop definierten wir zunächst, was Künstliche Intelligenz im konkreten betrieblichen Kontext eigentlich überhaupt sein soll.

Dabei folgen wir der Definition des Gabler Wirtschaftslexikons (2021).

Demnach versteht man unter künstlicher Intelligenz die „Erforschung „intelligenten” Problemlösungsverhaltens sowie die Erstellung „intelligenter” Computersysteme.

Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt sich mit Methoden, die es einem Computer ermöglichen, solche Aufgaben zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst werden, Intelligenz erfordern.“

Im nächsten Schritt unseres Workshops stellten wir 5 Kriterien vor, nach denen sich prüfen lässt, ob ein Anwendungsfall wirklich auf Künstlicher Intelligenz basiert oder nicht.

Hierzu zählen die vier Kriterien (Gehrke, 2019) Autonomie, betriebswirtschaftliche Relevanz, Lernen, sowie die Möglichkeit der dynamischen Anpassung.

Das fünfte Kriterium habe ich im Anschluss dazu entwickelt:

Die Spezifität.

  1. Autonomie: Die Anwendung entscheidet maschinell autonom oder unterstützt eine menschliche Entscheidung erheblich, sodass mindestens eine wesentliche maschinelle Beeinflussung vorliegt.
  2. Betriebswirtschaftliche Relevanz: Es handelt sich bei der Entscheidung nicht bloß um eine Entscheidung zur technisch richtigen Abwicklung von Geschäftsvorfällen, sondern die Entscheidung hat betriebswirtschaftliche/unternehmerische Relevanz oder Einfluss auf die Organisation.
  3. Lernen: Die Art und Weise der maschinellen Entscheidungsfindung beruht nicht lediglich auf statischen Regeln (z.B. „if-then-else-Verkettungen“), sondern das Entscheidungskalkül wurde durch die Verarbeitung von Trainingsdaten zunächst durch die Maschine erlernt.
  4. Möglichkeit der dynamischen Anpassung: Die Art und Weise der Entscheidungsfindung könnte regelmäßig angepasst werden, da laufend neue Daten für ein erweitertes Training des verwendeten Algorithmus hinzukommen.
  5. Spezifität: Es handelt sich nicht um eine KI-Standardlösung, die ohne besondere Anpassung für jedermann nutzbar ist (z.B. Google Translator).

Nachdem wir innerhalb des Workshops also die fünf Kriterien vorgestellt hatten, folgte gemeinsam mit den Kunden die Prüfung der vorliegenden Anwendungsfälle anhand dieser Kriterien.

Und, was war das Ergebnis?

Was als nächstes folgte, war eine Überraschung:

Denn zwei der drei Anwendungsfälle fielen bei dem Test durch – nach den fünf Kriterien waren die beiden Fälle keine Anwendungsfälle für Künstliche Intelligenz.

In beiden Fällen wurde das Kriterium „Lernen“ nicht erfüllt.

Zur Erinnerung:

Das Kriterium „Lernen“ besagt, dass die Art und Weise, wie ein Programm Entscheidungen trifft, nicht nur auf statistischen Regeln basiert.

Um als Künstliche Intelligenz eingestuft zu werden muss das Programm außerdem in der Lage sein, durch die Verarbeitung von Trainingsdaten selbstständig eine Entscheidung zu entwickeln.

Das Fazit:

Beide Anwendungsfälle waren zwar nicht das, was wir als KI klassifizieren.

Aber ich bin sicher, dass sowohl die Fälle als auch deren Ergebnisse dem Unternehmen wertvolle Erkenntnisse liefern können, da sie trotz allem auf statistischen Überlegungen basieren.

KI ist hot – aber sind alle Anwendungen, die nicht unter KI fallen, nutzlos?

Alle reden von Künstlicher Intelligenz und wollen diese nutzen.

Denn Künstliche Intelligenz klingt cool, hat sich in letzter Zeit zu einer Art „Must-have“ Buzzword in der Branche entwickelt und lässt ein Unternehmen gut aussehen.

Doch meiner Erfahrung nach basieren viele Lösungen gar nicht auf KI, wenn man sie anhand der fünf genannten Kriterien prüft.

Doch was bedeutet es, wenn eine Anwendung nicht als KI eingeordnet werden kann?

Es ist nichts Falsches daran, Statistik oder komplexe, aber zielgerichtete statische Regelwerke anstelle von KI zu verwenden, wenn Sie und Ihr Team sich weiterentwickeln und die Ziele erreichen, die Sie sich gesetzt haben.

Denn wichtig ist in erster Linie, dass die Anwendung funktioniert und Ihr Unternehmen weiterbringt – die Kategorisierung ist meiner Meinung nach irrelevant.

Wenn Ihr Anwendungsfall den Kriterien-Test also nicht bestanden hat, dann ist das definitiv kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

Wenn Sie weiterhin Wert auf die Entwicklung einer KI-Anwendung legen, dann geben Sie nicht auf.

Denn vielleicht sind Sie nur noch ein paar Schritte entfernt und können unsere Kriterien nutzen, um herauszufinden, wo Sie Verbesserungen an der bereits bestehenden Anwendung vornehmen könnten.

Und wenn jemand Ihr Projekt kritisiert: Versuchen Sie, es nicht persönlich zu nehmen.

Leider kann ich jedoch aus eigener Erfahrung bestätigen, dass dies oft gar nicht so einfach ist.

Erinnern Sie sich am besten selbst daran, was wirklich wichtig ist und wie Sie dorthin kommen wollen.

Bilden Sie sich weiter, sprechen Sie aktiv mit Kollegen oder Experten, finden und probieren Sie immer wieder neue Wege, die Sie Ihrem Ziel näherbringen.  

Das Wichtigste:

Machen Sie weiter! Und wenn Sie mal eine andere Meinung brauchen, schreiben Sie mir eine E-Mail an nick.gehrke@staging.zapliance.com und wir können sehen, wie wir uns gegenseitig helfen können!

Quellen:

Gabler Wirtschaftslexikon (2021): Künstliche Intelligenz (KI). https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/kuenstliche-intelligenz-ki-40285

Gehrke, N.: Tackling AI and Compliance – How to Approach (2019), in COMPLIANCE Digital – Wie beeinflusst die digitale Transformation das Compliance-Management; S. Behringer, A. Unruh (Hrsg): Berufsverband der Compliance Manager e. V., Berlin; 95- 103

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